Die Überschrift übertreibt, um das Folgende besonders deutlich zu machen:
Bis zum Beginn der Pubertät haben wir unseren Kindern alles vermittelt, was zu Hause und in der Welt da draußen gut und richtig, aber auch schlecht und falsch ist. Wenn wir diese Grundfesten menschlichen Zusammenlebens unseren Kindern bis zum Beginn der Pubertät nicht vermittelt haben, gibt es nur noch wenig Chancen, das zu korrigieren, weil sich zu dieser Zeit die Orientierung der Kinder vom Elternhaus weg richtet auf die Welt außerhalb der häuslichen 4 Wände.
Jetzt haben relativ plötzlich die Eltern nichts mehr (wenig) zu sagen, weil andere Stimmen, z. B. die der Perrgroup, an Bedeutung gewinnen.
Eltern, die bis zum Beginn der Pubertät, ihre Kindern als sehr eigenständige Menschen betrachtet haben und sie zu Selbständigkeit und Individualität „erzogen“ haben, haben es im Übergang zur Pubertät einfach. Der Übergang dürfte fließend gestaltet werden von beiden Seiten, Eltern wie Jugendlichen.
Eltern, die jedoch ihren Kindern weniger Raum ließen, sich zu entwickeln, ihre Kinder behüten wollten, ihren Kindern wenig zumuteten und zutrauten, werden sich mit Beginn der Pubertät sehr umstellen müssen, weil sich diese jugendlichen Kinder sehr viel deutlicher abgrenzen und sich der Einflußnahme der Eltern versuchen zu entziehen.
Dies kann auf zweierlei Weise geschehen. Es gibt viele Spielarten dazwischen, aber machen wir es deutlich:
Die eine Gruppe jener Jugendlichen, die gegängelt, behütet und bevormundet wurden und werden, rebelliert offen und legt sich mit den Eltern an. Diese Jugendlichen opponieren und gehen offensiv in den Konflikt und die Auseinandersetzung mit den Eltern.
Die zweite Gruppe lehnt sich gegen Bevormundung nicht offen auf, sondern geht den Weg des vermeindlich geringeren Widerstandes. Diese Jugendlichen tricksen herum, erzählen Geschichten, verharmlosen, bagatellisieren und entziehen sich letztlich ihren Eltern. Was die Eltern zumeist noch mehr auf den Plan ruft. Worauf sich die Jugendlichen noch weiter entziehen. Und so fort.
Ich habe noch keine jugendlichen Konsumenten erlebt, die der ersten Gruppe angehört hätten. Hingegen ähneln jene Konsumenten, die wir in der Suchthilfe kennen lernen, der zweiten Gruppe umso eher. Das ist ein subjektiver Eindruck aus über 30 Jahren Erfahrung in der Suchthilfe und wird durch viele KollegInnen bestätigt, ist meines Wissens aber noch nie untersucht worden. Das wäre mal interessant.
Ich möchte hier keine Rückschlüsse im Hinblick auf protektive Faktoren schließen, zumal das von anderen Autoren vielfältig erörtert und dargestellt worden ist. Aber wir kommen mit dem Blick auf zukünftiges Eintreten für Konsumfreiheit nicht umhin, zu fragen, welche basale elterliche Haltung den Jugendlichen auch Halt vermittelt, soweit dies in eingeschränktem Maße in der Pubertät noch möglich ist:
„Die Dimension des elterlichen Zutrauens in das Kind gilt dabei als eine wichtige Bedingung einer gelingenden Lebensbewältigung.“ (1)
„Die Skala Elterliches Zutrauen in das Kind reflektiert offenbar die wichtigste Dimension und Bedingung für eine gute Ausrüstung und Motivation, das Leben in die Hand zu nehmen und sich zutrauen, die Schwierigkeiten zu meistern. […] Elterliches Zutrauen begünstigt jene Persönlichkeitsressourcen, die gute Voraussetzungen für eine gelingende Lebensbewältigung bieten.“ (2)
Der Job der Eltern besteht darin im Kern darin, „die positive Entwicklung wie selbstverständlich und ohne den leisesten Zweifel“ zu erwarten. (4)
(1) http://www.grin.com/de/e-book/125179/die-13-shell-jugendstudie-mit-dem-schwerpunkt-religion
(2) Deutsche Shell (Hrsg.) (2000), S. 14.
(3) http://www.ekir.de/www/downloads/Jugend_Muenchmeier_Vortrag.pdf
(4) https://de.wikipedia.org/wiki/Jean_Liedloff