Diagnostische Phase II
5. Einstieg in das Elterncaoching
Bevor wir mit Eltern in das Coaching einsteigen und ein Arbeitsbündnis eingehen, haben wir im Vorfeld die Aspekte abgeklärt, die für die erste diagnostische Phase beschrieben wurden:
es besteht eine Indikation: die Familie leidet unter Suchtpräsenz (Rauschmittelkonsum, Eßstörung, Medienmißbrauch); beide Eltern möchten die Suchtpräsenz beenden;
mögliche Kontraindikationen sind abgeklärt: es besteht bei den Eltern keine eigene Suchtpräsenz oder suchtnahe Präsenz (kein Tabakkonsum, kein Konsum illegaler Substanzen, keine Eßstörung, „wenig“ Mediengebrauch, keine Impulskontrollstörung); es gibt in der Paarachse der Eltern keine Konflikte, die eine Kooperation behindern könnten; es gibt keine Multiproblemlagen, die Energien anderweitig binden; es stehen keine anderen Wendepunkte im Familienleben an; der Coach hat freie Kapazität für den neuen Fall.
Die Eltern fragen oft, wie lange wir denn brauchen werden, bis Max konsumfrei ist. Die Frage ist angesichts der erlebten Bedrängnis und Sorgen der Eltern verständlich, aber seitens des Coaches nicht zu beantworten, weil Menschen keine Maschinen sind. Ich habe aber Erfahrungswerte: zum einen sollten wir das Ergebnis dieser 2. diagnostische Phase abwarten, die ich mit 3 – 4 Monaten ansetze.
Zum Zweiten biete die Faustformel an: wenn es in der Vorgeschichte keine besonderen Problemlagen in der Familie und zwischen Eltern und Kindern gegeben hat und wenn die Suchtpräsenz nicht länger als 2 Monate dauert, ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß noch innerhalb der diagnostischen Phase II die Suchtpräsenz endet und Eltern und Jugendlicher wieder zu einer gegenseitigen wertschätzenden und respektvollen Beziehung gelangen. Wenn es in der Vorgeschichte schon Problemlagen aufwies, wenn es schon andere Beratungsversuche mit Mißerfolgen gegeben hat, wenn die Suchtpräsenz länger als 6 Monate andauert, kann das Elterncoaching auch schon mal 1,5 bis 2,5 Jahre dauern bis Max sich zur Konsumfreiheit entschließt.
Diese diagnostische Phase II beginnt mit der 14tägigen Sendepause und mündet seitens der Eltern in eine selbst kontrollierte Art und Weise mit Max zu sprechen. Gleichzeitig wird das Sprechen mit Max befreit von allem, was „unnötig“ erscheint, d. h. die Eltern konzentrieren sich auf die wirklich bedeutsamen Botschaften. Auf der Grundlage dieses 3-4 monatigen kommunikativen Rückzuges wirkt eine Botschaft oder Forderung an Max umso eindrucksvoller, als wenn wie bisher ständig darüber gesprochen würde.
Der zweite diagnostische Aspekt bezieht sich auf Max‘ Beziehung zu den Eltern: Wir müssen in Erfahrung bringen, wie Max auf die Sendepause und den anschließenden kommunikativen Rückzug der Eltern reagiert. Davon hängen maßgeblich die weiteren Schritte im Elterncoaching ab.
Die einzelnen Schritte werden in den nächsten Beiträgen erläutert:
5.1 Aufbau einer Sprechhemmung bei den Eltern
5.2 bezogene Individuation: Jugendliche und Eltern
5.3 bezogene Individuation mit zu viel Bezogenheit und zu wenig Individuation
5.4 bezogene Individuation mit zu wenig Bezogenheit und Überindividuation
5.5 Konsum gegen nervende Eltern und sonst nichts?