Kontraindikationen können sich auch auf den Coach und den Arbeitskontext beziehen.
Der Coach muß glaubwürdig erscheinen. Er kann daher selbst keine Suchtpräsenz zeigen. Das dürfte kein spezifischer Anspruch nur für die Arbeit in der Suchthilfe sein, sondern für alle Arbeitnehmer gelten. Jedoch machen wir hier in Bezug auf Tabakkonsum einen Unterschied. Tabakkonsum im Alltag gibt es nur in abhängiger Form. Noch dazu ist Tabakkonsum die Abhängigkeitsform mit der höchsten Mortalität. So wie wir im Coaching nur mit Eltern zum Ziel kommen werden, die auch rauchfrei leben, müssen wir vom Coach ebenfalls ein rauchfreies Leben erwarten. Der Coach ist ein gesundes Modell für die Eltern. Die Eltern sind ein gesundes Modell für ihren Jugendlichen.
Die Sendepause muß begleitet werden.
Die Sendepause ist ein machtvolles Interventionsinstrument. Es ist nicht annähernd prognostisch einzuschätzen, wie es den Eltern gehen wird und wie der betroffene Jugendliche reagieren wird. Meine Erfahrung ist, daß die Eltern in diesen 14 Tagen Sendepause begleitet werden sollte, um sie gegebenenfalls unterstützen zu können. Ich hatte zumeist mehrere Eltern parallel im Coaching und bemühte mich, die Phase der Sendepause für mehrere Eltern in ein gleiches Zeitfenster zu legen. Mein Unterstützungsangebot bestand darin, daß die Eltern zu mir über SMS, eMail oder WhatsApp Kontakt aufnehmen konnten. Ein Smartphone für diesen professionellen Kontakt ist natürlich hilfreich. Auch sollen die Eltern kurz schriftlich berichten, was vorgefallen und was ihre Frage ist oder worin der Unterstützungsbedarf bestehe.
Meine Zusage an die Eltern besteht darin, sollten sie um Unterstützung bitten, ich mich binnen 24 Stunden melden werde. Bis dahin muß eine Reaktion gegenüber dem Jugendlichen vertagt werden. Mein Angebot schließt jedoch ausdrücklich keine Anrufe ein. Zwei Gründe: der ein bezieht sich auf die Eltern, die warten lernen müssen (das Gegenteil von spontan, im Affekt und unreflektiert zu reagieren), der zweite bezieht sich auf mich selbst, denn ich möchte sowohl im Arbeitsalltag wie in meiner Freizeit nicht omnipräsent ansprechbar sein. Gleichwohl mache ich mir für diese 14 Tage einen Zeitplan, der mich erinnert, wann ich einen Blick auf mein Smartphone werfen sollte.
Eltern machen übrigens eher selten von diesem Untersützungsangbeot Gebrauch, d. h. nur selten passieren wirklich dramatische Situationen in dieser Phase. Die Erfahrung zeigt vielmehr, daß sich in der Mehrzahl der Fälle die familiäre Kommunikation entspannt. Siehe den kommenden Beitrag 3.2.
Begleitung bis zum Ziel.
Einen weiteren Aspekt, den sich jeder Elterncoach bei Suchtpräsenz gut überlegen muß, ist die Begleitung der Eltern bis zum Ziel der Konsumfreiheit. Meine Zusage an die Eltern ist zugleich mit einer Bedingung verknüpft: Sie, die Eltern, werden das, was wir in jeder Sitzung erarbeiten, zu Hause umsetzen und kommen mit ihrer Erfahrung in die nächste Sitzung zurück und wir überlegen erneut, was Sie die kommende Woche machen werden. Wenn Sie sich an diesen „Fahrplan“ halten, kommen wir zum Ziel der Konsumfreiheit.
Eine weitere Erfahrung zeigt, je kürzer die Suchtpräsenz bisher bestand, desto schneller kommen wir zum Ziel. Je länger die Suchtpräsenz schon dauert und je mehr die Eltern vieles schon erfolglos versucht haben, desto mehr Zeit werden wir benötigen, um zum Ziel zu kommen.
In jedem Fall gebe ich meine Zusage, die Eltern bis zur Zielerreichung zu begleiten! Ich erwarte aber die disziplinierte Umsetzung dessen, was wir in jeder Sitzung erarbeiten. Elterliche Alleingänge und Entscheidungen am Coach vorbei, gehen gar nicht und stellen das Arbeitsbündnis und damit die Zusage der Zielbegleitung umgehend in Frage.
Insofern „darf“ es kein Aufgeben durch den Coach geben: Genau so wie die Eltern ihren Jugendlichen nicht aufgeben können und wollen, kann ich Eltern, die sich an das oben genannte Arbeitsbündnis halten, auch nicht aufgeben, sondern werde sie bis zum Ziel der Konsumfreiheit begleiten. Die längsten Coachingzeiten umfaßten ca. 3,5 Jahre. Das sind nicht viele Fälle, aber es gibt sie eben und der Coachingsbeginn erfolgte eben recht spät nach einer längeren Phase der Suchtpräsenz.
Keine Regel ohne Ausnahme,
die sich hier auf den häuslichen familiären Kontext bezieht. Die Zusage der Zusammenarbeit kann ich nur für den Fall einlösen und einhalten, solange sich der Jugendliche im Haushalt der Eltern befindet. Wenige Jugendliche, aber es gibt sie eben doch manchmal, verlassen während der Coachingphase das Elternhaus, indem sie im Rahmen einer Ausbildung den Ort wechseln, auf Trebe gehen, in den Haushalt des getrennt lebenden Elternteil wechseln, von Großeltern aufgenommen werden, zu Freund oder Freundin ziehen und ähnliches mehr. Damit endet zumeist die tägliche und unmittelbare Kommunikation mit dem Jugendlichen und seine Kommunikation mit anderen Menschen wird für ihn bedeutsamer. Wie sich das Coaching in diesen Fällen und damit auch das Ziel der Eltern ändert, werden wir später besprechen.