„Elterliche Präsenz – im ursprünglichen Wortsinn verstanden als „Anwesenheit“ der Eltern im Leben ihres Kindes – kann verloren gehen, wenn konflikthafte Zuspitzungen zwischen Eltern und ihren Kindern so sehr Teil des Alltags der Familie geworden sind, dass die Eltern diese Prozesse nicht (oder nicht mehr) konstruktiv handhaben können.“ (1)
Die meisten Eltern, die mich als Profi um Unterstützung bitten, wenn ihre Jugendlichen begonnen haben, Rauschmittel zu konsumieren, haben bis zum Beginn der Pubertät alles für ihre Kinder verantwortlich getan. Ein Teil dieser Eltern war schon vor Pubertätsbeginn hohen Anforderungen ausgesetzt, weil sie Kinder „erwischt“ haben, die besonderes elterliches Knowhow erforderten. Ich erinnere mich an Eltern mit Asperger Söhnen, mit ADHS Kindern, denen jahrelang z. T. auch unverantwortlich Metylphenidat (Ritalin etc.) verordnet wurde, ohne diesen Eltern entsprechende Unterstützung im Erziehungsverhalten anzubieten, mit Kindern mit leidvollen Schulerfahrungen und vielem anderen mehr. Fast alle Eltern haben sich aber nach besten Kräften bemüht, ihre Kinder lebenstüchtig zu machen.
Wenn Sie aber dann im Verlauf der Pubertät den Draht, den Kontakt zu Max oder Inge verlieren, ist es ihre Aufgabe im ersten Schritt den inneren Kontakt, die innere Präsenz zu Ihrem Kind wieder herzustellen und in einem 2. Schritt mit der PErson Max oder Inge wieder in Kontakt zu kommen. Das folgende Vorgehen dient diesem Zweck, dieser Aufgabe:
Elterncoaching :: Will man gegenüber Max als Eltern deutliche Präsenz zeigen, ist die beste Voraussetzung, diese auch innerlich empfingen und spüren zu können. Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit der Entwicklung innerer Elternpräsenz, wenn Max zwar eigentlich noch zu Hause lebt, aber ein wildes, choatisches Leben führt und sich dem Kontakt zu den Familienmitgliedern entzieht.
Setzen Sie sich irgendwo in Max Zimmer halbwegs bequem hin.
Halten Sie nun einmal mind. 10 Minuten inne. Einfach nur da sitzen und sich umschauen. Denken Sie an Ihren Sohn Max. Wie kam der Kerl auf die Welt? Wie war er als Baby, als Kleinkind, wie im Vorschulalter? Was erinnern Sie für Begebenheiten? Mit wem können Sie in den nächsten Tagen auch mal über ihn und diese Zeit sprechen?!) Wie war er in der Schulzeit? Wie vor der Pubertät? Wie lange gab es noch wirklichen Kontakt zu ihm?
Lange Rede, eigentlicher Sinn: Sie sitzen alleine (oder mit dem anderen Elternteil) in Max Zimmer. Stellen Sie über diese Erinnerungen (und den Austausch mit dem anderen Elternteil) wieder Kontakt zu Ihrem Max her. Tanken Sie wieder Ihren inneren Kontakt zu Max auf. Je intensiver desto besser.
Wenn Sie als Elternpaar im Zimmer sitzen, dann tauschen Sie Erinnerungen an Max‘ Entwicklungszeit aus. Fokussieren Sie bitte überwiegend auf die schönen, netten, beziehungsstiftenden Erinnerungen und würdigen Sie erlebtes Leid, Frust, Anstrenungen.
Bitte wiederholen.
Das Wort „wiederholen“ nehmen wir hier als Programm wörtlich:
die innere Beziehung zu Max „wieder herholen“
sie wieder auftanken. Das ist die Basis für künftige wirksame Interventionen. So entwickeln Sie zuerst eine innere selbstsichere Elternpräsenz. Dazu biete ich die folgende Strategie an:
Weil an Max so überhaupt nicht ranzukommen ist und das schon seit Wochen oder sogar Monaten nicht, nehmen Sie sich bitte zehnmaliges Sitin in Max Zimmer vor und zwar ausschließlich, wenn er nicht anwesend ist.
1. werden Sie jedes Mal eine Spur hinterlassen mit einem handgeschriebenen Zettelchen mit Wochentag/Datum/Uhrzeit, jedes Mal mit anderem Text, aber immer in der Art „Max, mir war nach Dir … / Max, Du warst nicht da, aber ich bei Dir … / Max, da ich nicht weiß, wo Du bist, war ich mal hier, um an Dich zu denken … /Max, wer weiß wo Du bist, aber ich bin hier und für Dich da … + eine Kleinigkeit dazu, wie Mini-Schokolade / Mini-Gummibärchen / Gänseblümchen / Überraschungsei / Hanuta … und immer etwas anderes.
2. Das leitete über zum nächsten Aspekt: Sie werden in immer wechselnden, für Max nicht einschätzbaren Abständen in seinem Zimmer sein: immer unterschiedliche Uhrzeiten, immer unterschiedliche Tage, d. h. nicht jeden Tag, sondern z. B. 1. Tag Montag, 2. Tag Dienstag, 3. Tag Donnerstag, 4. Tag Sonntag – möglicherweise wird Max nun denken, daß ginge die kommende Woche so weiter, weshalb Sie eine Woche Pause machen und ihre Sitzungen erst am Samstag wieder aufnehmen. Da Max nun vermutlich annimmt, daß der gleiche Rhythmus wie in der ersten Sitzungswoche erfolgt, werden Sie aber einige Tage Pause machen und erst am Mittwoch fortfahren, dann aber in der Folge 1. bis 4. vierzehn Tag bis drei Wochen durch und dann wieder 1 Woche Pause. Ich denke, das Arbeitsprinzip ist deutlich geworden – wir denken zirkulär: So wie Sie sich als Eltern zeigen, was wird Max erwarten? Und genau dieser Erwartung werden Sie nicht entsprechen. Nicht mehr Sie machen sich von seinem Verhalten abgängig, sondern Sie drehen den Spieß um. Nicht mehr zeigen sich fixiert auf das, was Max macht, sondern provozieren ihn, daß er schauen muß, was Sie nun wieder als nächsten machen werden.
Damit demonstrieren Sie Unabhängigkeit von Max‘ Verhalten.
Sie zeigen Autonomie, Sie zeigen elterliche Präsenz.
Damit geben Sie Orientierung.
Gut.
__________________
1 Barbara Ollefs, Jugendliche mit externalem Problemverhalten – Effekte von Elterncoaching, 2008 Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades Dr. phil. der Psychologie des Fachbereichs Humanwissenschaften der Universität Osnabrück