Montags habe ich in der Suchthilfe immer Sprechstunde und Studentin Sarah, die hospitiert, hat aus einigen Elternberatungen das folgende 10 Punkteprogramm zusammengefaßt mit dem sich Eltern den Respekt Ihrer Kinder (allesamt Pubertierende von 11 – 25) wieder erarbeiten und erobern können:
1. Nichts mehr doppelt sagen: einmal sagen, dann gehen.
Viele Eltern mit denen ich arbeite, haben viel geredet, mit ihren Kindern viel geredet. Sie haben einfach ein temperamentvolles Sprachzentrum. Mehr nicht.
Manchen Kindern ist das egal. Andere Kinder irritiert das. Sie macht das viele Gerede unsicher. Sie fühlen sich dadurch kongnitiv überladen und können den Kern der Botschaft nicht herausfiltern. Andere fühlen sich von der Art des vielen Redens bedrängt, wollen sich gegen die Eltern nicht zur Wehr setzen, denn es sind doch die Eltern.
Viel Reden kann mitunter auch bedeuten, daß 1 Sachverhalt / 1 Aspekt / 1 Wunsch / 1 Forderung mehrfach beleuchtet wird, in mehreren Varianten dargestellt wird und damit vieldeutig erscheint. Eine Gruppe von Kindern verunsichert das stark und sie fühlen sich selbst auch nicht verstanden oder sind zumindest nicht sicher, ob sie verstanden werden oder worden sind.
Diese Gruppe Kinder weiß sich nicht zu helfen. Ihre Unsicherheit, Nervosität, Ratlosigkeit potenziert sich bis hin zu Aggressivität. Sie können nicht ihrerseits die Eltern nicht verstehen und deren Kernbotschaften nicht einordnen, und sie beginnen vor lauter Hilflosigkeit herumzuprobieren, was den Eltern dann als Provokationen erscheint und in den dann beginnenden zirkulären Dynamiken mit noch eindringlicherem Reden darauf antworten, was wiederum bei den Kindern zu noch mehr Unverstehen und Ratlosigkeit führt.
Das alles ist weder Kindern noch Eltern bewußt, sondern das sind sich unbewußt verselbständigende Kommunikations- und Interaktionsmuster. Es wird noch mehr und andere Hypothesen geben, die eskalierenden Kommunikationsmuster zwischen Eltern und Kindern erklären zu können.* Aber Sie werden einen ersten Eindruck bekommen haben, was los sein könnte, wenn Sie das zwischen sich und einem Kind erleben.
Wenn Sie also ein Kind oder einen Jugendlichen haben, das oder der aversiv auf Ihre Kommunikation reagiert, dann sind Sie daran ebenso beteiligt, wie ihr Kind.
Dann haben Sie Einfluß auf dieses Muster und diese Kommunikationsabläufe. Sie haben das in der Hand! Oder sagen wir besser: Sie haben das im Mund :-)
Mein Vorschlag:
Ändern Sie das bisherige Muster, indem Sie konsequent über mind. 4, besser noch 8 – 12 Wochen hin, nur noch einmal etwas sagen und die Situation dann beenden. (Je länger Sie Ihre Probierphase ansetzen, desto erfolgreicher werden Sie sein!)
Üben Sie sich in Selbstkontrolle, d. h. bevor Sie sprechen, und zwar gleichgültig in welcher Situation, überlegen Sie 1. den Kern Ihrer Aussage, Ihrer Botschaft und überdenken Sie 2. welche Wirkung und Auswirkung Ihre Botschaft auf Ihr Kind haben könnte.
Was soll schon passieren?! Legen Sie mal eine Testphase ein: Sie sagen zu Ihrem Kind, Ihrem Jugendlichen ab morgen immer nur nopch einmal, wenn Sie etwas von ihm möchten und, ganz wichtig, drehen sich dann herum und gehen aus dieser Situation heraus und weg.
Das hat zur Folge:
– Ihr Kind, Ihr Jugendlicher steht da und schnappt nach Luft, weil Sie sich plötzlich erdreisten, sich nicht 10 Mal zu wiederholen, sondern nach einer Ansage einfach gehen.
– Wenn Sie einmal etwas sagen und gehen, entgehen Sie dem Risiko, daß ein Wort das andere gibt, daß etwas diskutiert und zerredet wird bis von Ihrer Ansage nichts mehr übrig bleibt.
– Die Erfahrung zeigt, daß die Jugendlichen zwar erstmal nach Luft schnappen, aber letztlich dankbar dazu sind, daß die Eltern eine klare Botschaft und damit auch eine klare Orientierung kommunizieren, weil ihnen (den Jugendlichen) das Sicherheit vermittelt.
Je öfter, je häufiger Sie das ausnahmslos machen, desto mehr gewinnen Sie an Achtung und an Respekt.
* so z. B. die Lerntheorie: Sie möchten, daß Ihr Kind etwas tut. Sie sagen das einmal. Das Kind macht es nicht. Sie sagen das ein 2. Mal. Das Kind macht es wieder nicht. Wenn Sie jetzt ein 3. Mal das Gleiche sagen, bewirken Sie Zweierlei:
- Das Kind nimmt Sie nicht mehr ernst, weil Sie beim 2. und 3. und jedem weiteren Mal zu erkennen geben, daß Sie in der schwachen Position sind, es mehrfach sagen zu müssen, weil einmal nicht reicht.
- Der Lerntheorie und Lernpsychologie folgend, ist jede Zuwendung ein potentieller Verhaltensvertärker. Reden und jedes Reagieren ist Zuwendung und damit ein möglicher Verstärker des vorangegangenen Verhaltens. Sie sagen etwas – das Kind verweigert sich – sie sagen das erneut (nun können wir davon ausgehen, daß das Kind verstanden hat, weil es nicht blöd ist) – das Kinder verweigert sich erneut – wenn Sie jetzt das Gleiche wieder sagen, gehen Sie das Risiko ein, daß Ihr Reden eine Zuwendung im Sinn einer Verhaltensverstärkung wirksam ist, d. h. die Verweigerung des Kindes, das unerwünschte Verhalten, wird verstärkt = konditioniert.
2. Es wird nichts mehr spontan diskutiert.
Gehen, vertagen, nachdenken.
Falls Sie den Eindruck haben, Sie haben den Respekt verloren, den Ihre Kindern Ihnen gegenüber haben sollten, dann lernen Sie „Nein!“ sagen und „vertagen“:
Wenn Sie mit ihren Kindern bisher alles verhandelt (oder auch fast alles oder das Meiste) oder diskutiert und erklärt haben, lernen Ihre Kinder so nebenbei, daß alles verhandelbar sei. Kinder müssen annehmen, das was man bereden kann, sei auch verhandel- und veränderbar.
Das meiste im Alltag von Erwachsenen ist aber nicht verhandel- und veränderbar, sondern wir haben uns zu fügen und den Gegebenheiten, den Realitäten, den Gepflogenheiten, den Regeln, den allgemeinen Erwartungen usw. anzupassen, damit das gesellschaftliche Zusammenleben und -arbeiten funktionieren kann.
Und wir haben gelernt, einschätzen zu können, was verhandelbar sein könnte und was garantiert nicht verhandelbar ist.
Um diese Unterscheidungen zu lernen, brauchen Kinder Modelle (Familie, Kita,, Schule, Verein etc.) an denen sie unterscheiden lernen. Eltern müssen also deutlich machen, was können wir verhandeln und was nicht.
Wenn aber etwas nicht verhandelbar ist und ich sage einmal „Nein!“, dann muß ich das bei einem „Nein!“ belassen. Sage ich, weil das Kind eventuell quengelt oder nachfragt „Warum, denn?“, ein zweites Mal „Neeeeiiin!“ dann gebe ja durch das zweite Mal ungewollt zu erkennen, Öh Ha: Verhandelbar! denn wo man einmal erfolgreich nachfragen konnte, dann kann man auch ein zweites Mal nachbohren. Und mit jedem weiteren „Nein!“ treibt man das Kind in den kleinen Größenwahn …
Das war jetzt die Anleitung dafür, wenn Sie als Eltern „Nein!“ sagen wollen.
Das Vertagen:
Was aber ist zu tun, wenn Sie unsicher sind. Das Kind kommt an und fragt Sie etwas, und Sie sind sich nicht sicher, wie Sie entscheiden möchten. Und dann gibt es ja noch den anderen Elternteil und Sie wissen nicht, wie der dazu steht.
Also sagen Sie Ihrem Kind: „OK, ich habe jetzt gehört, was Du möchtest, aber ich möchte mir darüber noch Gedanken machen und das geht jetzt gerade nicht (und außerdem möchte ich erst noch mit Mama/Papa darüber reden). Ich sage Dir morgen Bescheid.“
Darauf hin Ihre Tochter (14): „Das geht aber nicht bis morgen. Die Jenny ist am Handy und ich muß jetzt wissen, ob ich bis 23 Uhr weg bleiben kann.“ Druck. Druck. Druck.
Nicht mit Ihnen. Sie sagen (dieses Mal dürfen Sie ausnahmsweise ein 2. Mal sagen): “ Ich möchte mir darüber noch Gedanken machen und das geht jetzt gerade nicht (und außerdem möchte ich erst noch mit Mama/Papa darüber reden). Ich sage Dir morgen Bescheid.“
Darauf hin bekommt Ihre Tochter (14) einen Wutanfall und beschimpft Sie.
Nicht mit Ihnen. Sie sagen nichts, sondern drehen sich um, ziehen Ihre Jacke an, verlassen das Haus und drehen eine Runde um den Block und sagen sich 75 Mal: „Das ist die Pubertät. Die hat in Ihrem Hirn gerade mal wieder Stromausfall. Das geht vorbei. Ich habe Recht. In 10 Jahren ist das Thema durch. Ach, was für eine schöne Luft ist hier Draußen.“ „Das ist die Pubertät. Die hat in Ihrem Hirn gerade …. „
Dann besprechen Sie als Alleinerziehende das mal mit Ihrem Freund oder Freundin, als Nicht-Alleinerziehender setzen Sie sich am Feierabend mit dem anderen Elternteil aufs Sofa und besprechen das und entscheiden gemeinsam und am nächsten Morgen informieren Sie ihre Tochter – na gut, es kann sein, daß die eingeforderte Entscheidung sich dann zeitlich schon wieder überholt und ergeben hat. Aber so ist das halt manchmal im Leben. Und das muß man lernen, das es das gibt und muß lernen, so etwas auszuhalten und zu verarbeiten. Wenn nicht im Schutz des Elternhauses, wann und wo sonst?
Übrigens: Kinder, die von Klein auf gelernt haben und gewohnt sind, daß ein Nein auch Nein bedeutet und dieses akzeptieren, haben es später leichter und entspannter im Leben, weil sie sich sicherer fühlen, indem sie die Grenzen kennen, und weil sie ihre Energien nicht mit unsinnigem Verhandeln verschleudern, sondern für die wirklich bedeutsamen Verhandlungen im Leben reservieren.
3. Wenn ein Kind etwas von einem Elternteil will, muß das erst mit dem anderen besprochen werden: „Das werde ich mit (Mama, Papa) abklären, ich gebe dir dann Bescheid!“
Keine elterlichen Alleingänge mehr, wenn Sie ihren Respekt bewahren möchten.
Auf nicht alle Kinder wirkt es irritierend, wenn sie von 2 Eltern 2 unterschiedliche Auskünfte oder Botschaften bekommen. Die wohl größte Kindergruppe kommt auch mit Eltern klar, die schon mal widersprüchliche Botschaften kommunizieren.
Die zweite Gruppe von Kindern, die kommt damit überhaupt nicht klar. Wenn Sie so ein Kind in der Familie haben, dann sollten Sie dem Rechnung tragen und als Eltern mit einer Stimme sprechen.
Die erste Kindergruppe wird bei widersprüchlichen Botschaften zweier Eltern diese Widersprüchlichkeiten entweder nutzen oder darauf aufmerksam machen, daß die Eltern sich gefälligst mal einigen sollten.
Für die zweite Gruppe scheinen aber elterliche widersprüchliche Botschaften so irritierend zu sein, daß sie sich entweder entzieht oder, weil die Kinder die Widersprüchlichkeiten verbal nicht kommunizieren können, diese dann als Verhaltensstörung kommunizieren: diese Kinder fühlen sich durch die widersprüchlichen Botschaften der Eltern extrem gestreßt, wissen nicht damit umzugehen und zeigen aufgrund von Hilflosigkeit sehr auffälliges Verhalten (irgendwo muß der Streß und die Anspannung ja hin kommuniziert werden). Diese Kinder fordern über besonderes Verhalten die Eltern geradezu heraus, sich über das Kind zu verständigen.
Diese Kinder benötigen Eltern, die konsequent mit einer Stimme sprechen, d. h. eine Meinung, Richtung, Norm vertreten. Dies bedarf des fast täglichen Austausches über den Umgang mit den Kindern. Abends auf dem Sofa, wenn die Kinder nicht dabei sind, ist eine gute Möglichkeit, daß sich Eltern über den Tag austauschen und einigen, was in Bezug auf die Kinder zu entscheiden und zu tun ist.
Getrennt lebende Eltern. die sich gemeinsam um das Kind kümmern, sind hier ebenso gefordert, zu kooperieren und gemeinsame Sichtweisen und Umgangsweisen abzustimmen.
Kinder müssen erst lernen, zu warten:
Wenn Sie von den Kindern mit etwas überrascht werden und Sie wissen gerade einmal nicht weiter oder wie es gut wäre, zu reagieren oder zu entscheiden, dann vertagen Sie das. Darüber schreibe ich mehr im Teil 7, so daß ich das hier vertage und Sie leider warten müssen …
4. Erstmal keine Fragen mehr stellen. Das will geübt sein!
Kinder und Jugendliche fühlen sich häufig von ihren Eltern genervt, wenn diese ständig Fragen stellen: Hast Du schon …? Willst Du nicht mal …? Könntest Du nicht mal wieder …? Wann? Wie? Was? Warum? Wieso? Weshalb? Wozu? Fragen über Fragen. Den ganzen Tag.
Sollten Sie dieser Eltern-Frage-stellen-Typ sein, könnten Sie sich in weniger Fragen stellen üben. Sollten Sie das schon probiert und festgestellt haben, daß Ihnen das nicht gelingt, dann können Sie auch für diesen Zweck eine Mini-„Sendepause“ einlegen: Sie stellen ab sofort niemandem mehr auch nur eine Frage. Keine einzige Frage mehr und das 4 Wochen lang. In dieser Zeit der Fragen-Abstinenz baut Ihr Gehirn eine nützliche Hemmung auf, Fragen zu stellen. Sie werden als Ergbenis feststellen, daß Sie nach diesen 4 Wochen, bei jedem Impuls, eine Frage zu stellen, innerlich zögern und kurz überprüfen können, wie die Frage, die Sie stellen möchten, wohl auf den anderen wirken könnte. Dieser Vorgang läuft dann innerlich wie automatisch ab. Sehr nützlich, weil man dann niemand mehr nervt, sondern alle finden einen entspannt und nett.
Diese Fragen-„Sendepause“ hat noch einen 2. Übungsteil:
In diesen 4 Wochen der Fragen-Abstinenz werden Sie jede Frage, die droht, aus Ihrem Mund zu kommen, abbrechen oder besser noch, Sie setzen gar nicht erst an zum Sprechen.
Sie können nun diesen Impuls, eine Frage stellen zu wollen, nutzen:
Überlegen Sie, welche Aussage, die Frage beinhaltet und formulieren Sie um zu einer Aussage. Statt „Wann bist Du heute Abend zu Hause?“ könnten Sie sagen: „Ich möchte, daß Du heute Abend um …. Uhr zu Hause bist!“
Sollte eine Frage keine Aussage beinhalten, dann bleibt sie ungestellt.
Aber aufgepaßt, das ist keine leichte Übung.
Sie werden sehr diszipliniert durch den Alltag gehen.
Sie wenden diese Fragen-Sendepause nicht nur gegenüber Ihren Kindern an, sondern 24 h gegenüber allen Menschen, die Ihnen begegnen, denn sonst baut Ihr Gehirn diese Hemmung nicht zuverlässig auf.
Sie werden feststellen, daß sich Ihre Beziehung zu den Menschen verändert, denen Sie bisher die meisten Fragen gestellt haben. Meist tritt zunächst eine Art Vakuum in der Kommunikation auf, aber seien Sie gespannt, wie dieses Vakuum von den anderen (nicht von Ihnen!) nach und nach gefüllt wird. Ein wirklich interessantes Phänomen.
5. Nichts mehr kritisieren (weder innerhalb des Elternpaares, noch gegenüber den Kindern).
Wie im letzten Beitrag (Teil 4) geht es auch hier darum, wohl überlegt kommunizieren zu lernen. Wir kommen halt manchmal in ein kommunikatives Fahrwasser, das allzu hohe Wellen schlägt. Und bekanntlich zieht das wellenförmige Kreise oder die Wellen, die ans Ufer schlagen, kommen wieder zurück.
Wenn wir also mal in das Fahrwasser geraten, allzu kritisierend und damit auch allzu kritisch mit unseren Lieben umzugehen, können wir das Ruder hart herumreißen, indem wir uns bewußt machen, daß wir nun abermals 4 Wochen überhaupt keine Kritik mehr äußern = 100 % „Klappe halten“.
Erst wenn wir das 4 Wochen umsetzen, werden wir die Erfahrung machen und damit die Grundlage haben, beurteilen zu können, ob wir nicht auch ohne diese kritischen Bemerkungen im Alltagsleben auskommen, d. h. auf sie ganz verzichten können.
Oder anders herum gedacht:
Was hätten unsere kritisierenden Bemerkungen eigentlich wirklich verändert und bewirkt?
Wieviele oder welche unserer kritisierenden Bemerkungen hatten die von uns gewünschte Wirkung? Ich vermute mal ganz ganz wenige. Wenn das so ist, dann könnten wir uns diese Bemerkungen auch sparen, denn es nervt die anderen ziemlich.
6. Nur noch respektvoll formulieren.
Es gibt Eltern, die reden mit ihren Kindern respektlos – nicht immer, aber immer wieder. Dann fallen diese Eltern aus ihrer Rolle, indem sie sie sich hinreißen lassen, einem Ärger über ein Verhalten ihres Kindes wortreich Luft zu machen und dabei Vokabeln verwenden, die sie mit kühlem Kopf niemals benutzen würden. Und hinterher machen sich Eltern oftmals Selbstvorwürfe und sagen sich: Das hätte ich mal besser nicht gesagt.
Wenn man das zu häufig macht, kann es sein, daß das beim Kind dreierlei bewirkt:
Erstens merkt das Kind, daß es so machtvoll zu sein scheint, bei den Eltern so starke Emotionen zu bewirken, daß diese die Selbstkontrolle verlieren. Das treibt Kinder mitunter in den kleinen Größenwahn – vor lauter Verzweiflung. Sehnen sich doch alle Kinder nach starken Erwachsenen, die durch nichts aus der Ruhe zu bringen sind und Schutz und Orientierung anbieten und vermitteln. Ein wackelnder Stützpfeiler bieten keinen Halt.
Zweitens brauchen Kinder Beziehungsmodelle, um zu lernen, wie die Welt da draußen funktioniert. Lange Zeit sind die Eltern die bedeutsamsten Modelle dafür. Wenn sich die Eltern gegenüber den Kindern unsicher zeigen, dann muß die Welt da draußen wohl auch eine unsichere sein, ein wenig verläßliche. Dann machen die Kinder zunehmend die Schritte raus in die Welt, in die Kita, in die Schule, in den Job. Leider gibt es auch dort immer wieder Menschen, die respektlos mit Kindern umgehen.
Drittens werden Kinder mit denen respektlos gesprochen wird, bald eine ebenso respektlose Sprache benutzen. Sie haben am Modell gelernt.
Achte auf Deine Emotionen.
Da hätte ich eine Faustregel im Angebot: Je stärker Deine Eomtionen als Reaktion auf das Kind sind, desto wahrscheinlicher haben diese Emotionen nicht wirklich etwas mit dem Kind und der Situation zu tun, sondern in Dir selbst ist durch die Situation etwas Starkes aktiviert worden, das aus früheren Zeiten und anderen Welten hochsteigt. Dafür kann aber das Kind nichts und es hat Deine starke Reaktion nicht verdient!
Achte also auf Deine Emotionen und wenn sie ansteigen, dann überprüfe die Situation und beruhige Dich und bekomme erstmal wieder einen klar denkenden Kopf.
Um das noch einmal deutlich zu machen: gehe ruhig emotional mit Deinen Kindern um, aber mache es so, daß Du Dir hinter keine Vorwürfe machen mußt, was Du denn da wieder gesagt hast, sondern gut in den Spiegel schauen kannst.
Falls Du nicht recht weißt, wie Du das hinbekommen kannst, gehe zurück nicht über LOS, sondern über die Sendepause.
7. Kommt etwas Unvorhergesehenes,
wird es vertagt, um es später in aller Ruhe erledigen zu können.
Man lernt als Eltern dazu. Vieles wiederholt sich in der Beziehung zum Kind. Wenn man mehrere Kinder hat, ist eben vieles nicht mehr neu, nicht mehr das erste Mal. Und doch wird man immer wieder einmal Situationen antreffen, die man noch nicht hatte und die nun aber einer Entscheidung bedürfen.
Wenn man dann momentan auch noch mit anderen Dingen beschäftigt und mal gerade nicht multitaskingfähig ist, sollte man es sich als Eltern erlauben können, das Kind zu vertrösten und das Anliegen des Kindes zu vertagen: Ich mache mir Gedanken und sage Dir heute Abend Bescheid.
Das Vertagen verschafft Eltern Zeit, sich Gedanken machen und auch mit dem anderen Elternteil abstimmen zu können.
Der Lerneffekt für die Kinder ist, daß sie lernen, sich zu gedulden. Sie lernen die Ich-Funktion der Frustrationstoleranz.
8. Keine Alleingänge der Eltern mehr, z. B. keine neuen Regeln ohne Absprache mit dem anderen Elternteil.
Um es positiv auszudrücken: Sprechen Sie möglichst viel mit dem anderen Elternteil ab, bevor Sie sich in Bezug auf die Kinder auf irgendetwas festlegen. Ganz besonders betrifft das die familiären Regeln, wenn die bestehenden überholt erscheinen und verändert werden sollten und erst Recht, wenn neue Regeln eingeführt werden müßten.
Übrigens: berichten mit Eltern immer wieder, sie hätten mit den Kindern diese oder jene Regel abgesprochen und zeigen sich frustriert, weil sich die Kindern entgegen der gemeinsamen Absprache nicht daran halten. Das ist meistens schön geredet, weil sich fast immer herausstellt, daß die Eltern die Kinder genötigt haben, sich mit einer Regel zu beschäftigen und dieser zuzustimmen und die Kinder stimmen dann zu, um einfach ihre Ruhe zu haben. Solche Verhandlungen werden fast nie auf Augenhöhe geführt, aber die Eltern verkaufen das so.
Falls Sie als Eltern keine Naturtalente in Kooperation sind, könnte der nächste Beitrag interessant werden.
9. Eltern sollen sich jeden Abend ohne die Kinder zusammensetzen, den Tag Revue passieren lassen und ein Protokoll 1. über die elterliche Kooperation und 2 die Kooperation zw. Eltern und Kindern anfertigen.
Elternsein ist Teamarbeit. Teams machen (wöchentliche) Teamsitzungen, um Absprachen zu treffen und die Arbeit zu organisieren; Aufgaben zu verteilen; Verantwortlichkeiten zuzuweisen; zu reflektieren, was nicht so optimal gelaufen und was gut läuft; festzulegen, wer das letzte Wort hat und um miteinander in Beziehung zu bleiben.
Elternsein ist Teamarbeit. Ich schlage wöchentliche Eltern-Team-Sitzungen vor (natürlich ohne Kinder und hinter verschlossenen Türen). Dazu nimmt man sich einmal die Woche an einem festgelegten Tag zu einer festgelegten Uhrzeit für 90 Minuten Zeit und eine/r führt immer abwechelnd ein Ergebnisprotokoll. Dieser Termin hat absolute Priorität vor allen anderen Unternehmungen.
Auch getrennt lebende Eltern, die aber weiter die gemeinsame Verantwortung für die Kinder tragen, sind ein Team. Auch sie sollten sich regelmäßig zu einem festgelegten Zeitpunkt treffen, aber die Abständen sind meist größer.
Diese Kooperation der Eltern miteinander wird umso leichter, je weniger Alleingänge es in Bezug auf Regelungen und Entscheidungen nur von einem Elternteil gibt. Dazu ist es wichtig, daß möglichst viele Anfragen der Kinder vertagt werden, um sie dann unter den Eltern gemeinsam besprechen und entscheiden zu können.
Mit Beginn der Pubertät stehen infolge der zunehmenden Außenorientierung der Kinder mehr Veränderungen an. Hierauf können Eltern flexibler reagieren, indem sie sich jeden Abend 1/4 Stunde Zeit nehmen, um den Tag in Bezug auf die Kinder Revue passieren zu lassen und sich um das „Tagesgeschäft“ zu kümmern. Die wöchentliche Teamsitzung ist jedoch gerade in diesem Lebensabschnitt oft genauso bedeutsam – siehe erster Absatz.
Was auch gut tut ist, nicht nur ein Ergebnisprotokoll über die elterlichen Teamsitzungen anzufertigen, sondern zusätzlich auch noch zu reflektieren wann, wo, bei welchen Gelegenheiten und zu wem sich die Kinder oder Jugendlichen kooperativ gezeigt haben. Das Unschöne lassen Sie einfach weg. Konzentrieren Sie sich auf die kooperativen Anteile – das macht den liebevollen Blieck auf die Kinder offen.
Keine Alleingänge der Eltern mehr, z. B. keine neuen Regeln ohne Absprache mit dem Elterncoach.
Im Elterncoaching treffe ich die Eltern einmal in der Woche oder 14tägig, manche im Einzelcoaching, manche in der Elterngruppe.
Besonders erfolgreich ist das Coaching immer dann,
… wenn wir in einer Stunde die letzte Woche reflektieren: Welches Elternverhalten war wirksam in unserem Sinn und welches war nicht wirksam. Dann gehen wir nach der systemischen Faustregel vor: Wenn etwas nicht wirksam ist, mach etwas anderes. Wenn etwas wirksam ist, mache es weiter oder mehr davon.
… und uns dann zu dem, was nicht wirksam war, Alternativen überlegen und daraus Elternverhalten für die kommende Woche entwickeln.
Dieses neue und alternative Elternverhalten setzen die Eltern in der kommenden Woche ein, kommen mit dieser Erfahrung in die nächste Stunde zum Coaching und wir werten wieder aus und reflektieren den nächsten Schritt: wirksam gewesen oder nicht – was könnte wirksamer sein? D. h. aber auch, daß zu Hause keine neuen Regeln und Entscheidungen mehr getroffen werden, sondern die werden vertagt und im Elterncoaching besprochen.
Steht etwas an, das u. U. längstens eine Woche nicht vertagt werden kann, gibt es ja immer noch die Medien: WhatsApp, eMail und Telefon.
10. Mentalisieren lernen
Damit bezeichnen wir jene Fähigkeit, die Menschen um das vierte Lebensjahr herum entwickeln, sich selbst von Innen und Außen und andere von Innen betrachten zu können.
Eine ausführliche Beschreibung finden Sie im Internet. (1) Hier werfen wir einen Blick auf mentalisierende Eltern mit pubertierenden Jugendlichen:
Mich selbst von Außen betrachten können: Wie gut kann ich einschätzen, wie ich mit meiner Art allgemein und meinem Verhalten im Besonderen auf andere Menschen wirke. Jeder wird mich aufgrund seiner eigenen spezifischen Wahrnehmung etwas differenziert anders wahrnehmen und doch wird es eine größere gemeinsame Schnittmenge geben, in der sich andere darüber einig sind, wie man mich wahrnimmt und erlebt. Und – wie gut können Siedas einschätzen?
Andere von Innen wahrnehmen können: Wie gut kann ich mich in andere hineinversetzen und abschätzen, wie jemand denkt, fühlt, beurteilt, wahrnimmt, welche Einstellungen, Bedürfnisse und Wünsche jemand hat und dieses dann in meinem Verhalten und meiner Kommunikation berücksichten. Und – wie gut können Sie sich in andere „hineinversetzen“?
Für Eltern ist es mitunter nicht einfach, Schritt zu halten mit den Veränderungen, die sich innerlich wie äußerlich bei Pubertierenden vollziehen. Besonders die inneren Welten der Pubertierenden werfen zu verschiedenen Zeiten Rätsel und Fragen auf.
Da kann es hilfreich sein, wenn man sich etwas mit der Fähigkeit des Mentalisierens beschäftigt. Also nutzen wir Eltern doch die Zeit der Pubertät zu einer Bilanzierung unserer eigenen Wirkung auf andere (sich von Außen betrachten können):
Welches sind meine kritischen Ecken und Kanten?
Will ich die gerne behalten oder möchte ich gerne Alternativen entwickeln?
Wo, wie und wen nerve ich schon mal?
Auf was oder wen springe ich schon mal impulsiv „ungünstig“ an?Äußern sich meine Sprache, Stimme und mein Verhalten stimmig (kongruent)?Was finden andere gut, schön, positiv, nett, konstruktiv an mir?
Welche meiner Verhaltensweisen und Sprache kommt gut an bei anderen?
Was davon sollte ich unbedingt behalten?
Was ließe sich weiter ausbauen und noch mehr kultivieren?
Wo sind in der Beziehung zu anderen Menschen meine Stärken?
Wo bin ich da im positiven Sinn einzigartig?Wen alles kann ich um ein Feedback bitten? Die Kinder, den/die PartnerIn, Freunde, KollegInnen, Verwandte …
Wie fällt meine Bilanz aus und was sollte ich mir vornehmen, um etwas sein zu lassen, auszubauen oder ganz neu zu entwickeln?
Wie es in den Wald ruft, so schallt es heraus – sagt das Sprichwort. Ist ja was dran: So wie ich mit anderen umgehe und ihnen begegne kommt etwas Entsprechendes zurück. (2)
Zeige ich mich konstruktiv, kommt mit Wahrscheinlichkeit konstruktives Verhalten zurück. Was aber bewerte ich in welchem Kontext (Situation mit wem) als „konstruktiv“ und was und wie bewertet das der Mensch mit dem ich gerade zu tun habe? Wir sind ständig damit unbewußt beschäftigt, die eigene Außenwirkung mit der anderen Innensituation abzugleichen. So ist es gut und förderlich für menschliche Beziehungen, damit bewußter umzugehen und daran zu feilen und zu arbeiten.
Wenn wir dann mentalisierend gut drauf sind, d. h. wir haben uns mit dieser menschlichen Fähigkeit grundsätzlich einmal beschäftigt und in der Folge haben wir Bilanz gezogen und wissen nun genauer, wie wir auf andere wirken, dann können wir uns jetzt mit dem Mentalisierungsteil beschäftigen, der sich auf das Innen der anderen, also der Pubertierenden, bezieht.
Die Herausforderung der Eltern ist es mentalisierend zu entdecken, zu erspüren, wie ist mein Sohn, meine Tochter jetzt eigentlich gerade so drauf. Kann ich mit ihr/ihm jetzt reden, weil erstens der linke PFC (3) nicht im Standby-Modus arbeitet, sondern gut aktiviert ist und zweitens der rechte PFC (3) nicht sehr aktiv ist, sondern relativ entspannt oder ist die Hirnsituation momentan anders herum tätig? Manchmal ist das überdeutlich, manchmal hilft aber auch erst ein gut geschultes beobachtendes Auge.
Wenn ich dann aber die rechts-links-Aktivität (3) meine herausgefunden zu haben, bin ich weiter mentalisierend gefordert, herauszufinden, in welch differenzierter Gefühlslage befindet sich denn das sich neu entwickelnde pubertierende Gehirn gerade und wie gut sind die Exekutivfunktionen (3) drauf. Das ist alles nicht so einfach, weder für die Pubertierenden selbst noch für die Außenwelt, wie uns Eltern.
Da heißt es aufmerksam sein in der Wahrnehmung und behutsam sein im Umgang.
Hochpuschen von Emotionen, Verstricken in sprachliche Eskalationen, Diskussionen um … bringen nichts außer meist Kränkungen oder bestenfalls Mißverständnisse. Das können wir uns sparen.
… die besonderen Befindlichkeiten ersprüren, um Spiegeln zu können
…. Verstärken, wenn die Jugendlichen die eigene Befindlichkeit reguliert bekommen, aberr dann müssen wir Vorbild sein ………
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1 siehe die Beschreibung bei http://de.wikipedia.org/wiki/Mentalisierung
2 siehe die Geschichte vom Tempel der 1.000 Spiegel: http://www.youtube.com/watch?v=8QrVaBZ9am4
3 siehe Amygdala und Co